Ellis Theorie Stunde – 22.04.2020
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Hallo ihr Lieben,
hier ist eure Elli. Mücke schreibt euch ja immer sein Tagebuch mit allen Erlebnissen, die so tagsüber passieren und jetzt würde ich mich noch zweimal die Woche bei euch melden. Natürlich nicht mit der gleichen Aktion, nee, nee! Jani hatte da mal wieder eine neue Idee und hat mir reichlich Bücher vorbeigebracht um euch ein bisschen Wissen zu vermitteln. Ich hoffe, ihr fragt euch nicht, warum ausgerechnet ich das machen soll? Das ist ja wohl völlig klar. Ich bin schließlich die Schlaueste von uns allen. Also habe ich mir meine Lesebrille aufgesetzt, bin ja nicht mehr die jüngste, und meine Nase in die Bücher gesteckt. Am Ende der Woche würde ich einen Fragebogen erstellen, den ihr ausfüllen könnt und dann an Jani per Mail oder WhatsApp zurückschickt. Sie kontrolliert sie und sendet euch die Ergebnisse. Im Anschluss sagt mir, was ich vielleicht noch etwas genauer erklären sollte. Ich hoffe, ihr habt ein bisschen Spaß daran. Freue mich jetzt schon auf euer Feedback.
Also erstmal sollte ich euch erklären, warum das Theoretische Wissen zu uns Vierbeinern so wichtig ist, bzw. worauf ihr achten müsst um zu einem guten Reiter für uns werden.
1. Unsere Bewegungslehre orientiert sich an unserer Natur.
2. Unsere Bewegungslehre berücksichtigt unsere körperlichen Voraussetzungen und unser natürliches Verhalten.
3. Bei richtiger Anwendung unserer Bewegungslehre führt sie zu unserem Wohlbefinden.
4. Bei richtiger Anwendung unserer Bewegungslehre werden wir ausgewogen gymnastiziert und bekommen eine gute Muskulatur.
5. Unsere Bewegungslehre muss abwechslungsreich und vielseitig sein.
6. Und von euch Reitern erwarten wir einen elastischen, ausbalancierten Sitz, eine gefühlvolle, feine Hilfengebung, sowie das Verständnis für unsere Natur.
Über all diese Punkte erzähle ich euch mein ganzes Wissen. Wenn ihr zwischendurch noch Fragen zu dem einen oder anderen habt, schreibt sie einfach mit auf den Fragebogen und ich erkläre sie dann in der darauffolgenden Woche.
Vorher schreibe ich euch aber noch die 9 Ethischen Grundsätze auf und erkläre sie euch. Diese sind mindestens genauso wichtig wie die 6 Kriterien von oben und stehen über allem. Wenn ihr euch sie gut einprägt, werdet ihr immer gute Partner für uns sein, egal ob wir Elli, Mücke oder Farah heißen, egal ob wir braun, schwarz oder bunt sind, egal ob jung oder alt, klein oder groß, gesund oder krank.
1. Übernahme von Verantwortung
Dieses bedeutet, dass ihr uns eine artgerechte Haltung und Fütterung geben könnt, dass ihr den Tierarzt für uns ruft, wenn es notwendig ist, und uns nur nach unserem Leistungsvermögen bewegt. Ihr müsst vor uns Achtung und Respekt haben, so wie wir vor euch um so ein gutes Team zu werden.
Mücke würde sagen: „Pferde brauchen Euch und sind auf euch angewiesen!“
2. Anpassen an natürliche Bedürfnissen
Hier kommt zum tragen, dass wir Fluchttiere, Steppentiere und Herdentiere sind. (Genauer sprechen wir da noch drüber.) Das wichtigste ist die Kenntniss über unsere Bedürfnisse nach Bewegung, Licht, Luft und Sozialkontakten.
Mücke würde sagen: „Pferde müssen richtig von euch versorgt werden!“
3. Gesundheit hat oberste Bedeutung
Hierbei geht es darum, dass ihr uns nur bewegt bzw. arbeitet, wenn wir absolut gesund und fit sind. Die Ausbildung erst beginnt, wenn wir körperlich dazu in der Lage sind. Auch wenn ihr mit uns auf Turniere fahrt, darf das Siegen nicht darüber stehen, dass wir vielleicht nicht mehr Leistungsfähig sind.
Mücke würde sagen: „Den Freunden der Pferde ist die Gesundheit und Zufriedenheit von uns am wichtigsten!“
4. Alle Pferde gleich achten
Das versteht ihr bestimmt von ganz allein. Ich sag es nur mal so, ihr müsst Mücki genauso gut und artgerecht behandeln wie mich, auch wenn ich größer bin und besser Springen kann.
Mücke würde sagen: „Für euch sind alle Pferde gleich toll!“
5. Geschichte des Pferdes ist kulturgeschichtliches Gut
Unsere Geschichte hat eure Entwicklungsgeschichte stark beeinflusst und umgekehrt. Deshalb ist es so wichtig, dass ihr sie versteht und weitererzählt.
Mücke würde sagen: „Wir haben doch tatsächlich eine lange gemeinsame Geschichte von der wir gegenseitig lernen!“
6. Persönlichkeitsprägende Bedeutung
Durch uns und dem Sport mit uns lernt ihr Verantwortung zu übernehmen, im Voltigieren zum Beispiel lernt ihr im Team zu arbeiten. Wenn ihr etwas Neues mit uns gelernt oder uns beigebracht habt, stärkt ihr euer Selbstbewusstsein. Ihr werdet geduldig durch uns und lernt die Fehler erst bei euch zu suchen, bevor ihr uns die schuld für etwas gebt.
Mücke würde sagen: „Wir sind super Lehrer für euch!“
7. Ziel ist die größtmögliche Harmonie
Euer wichtigstes Ziel im Reitsport ist es mit uns eine wunderbare Freundschaft aufzubauen. Dafür müsst ihr und wir uns immer wieder fortbilden und unser Wissen überprüfen.
Mücke würde sagen: „Wir müssen immer gemeinsam lernen und zusammen wachsen!“
8. Orientierung an Veranlagung, Leistungsvermögen und Leistungsbereitschaft
Hier geht es darum, dass ihr nur das von uns verlangt, was wir auch Leisten können. Also versucht bloß nicht mit Mücki über einen so hohen Sprung zu springen wie ich es schaffen würde. Das kann er auch nicht, wenn ihr ihm noch leistungsfördernde Medikamente gebt, ihn also dopt.
Mücke würde sagen: „Ihr dürft nie Leistungen von uns erzwingen!“
9. Verantwortung für das Lebensende
Oh man, dieses ist der schwierigste Punkt in der Beziehung zwischen Pferd und Mensch. Wenn wir irgendwann alt genug sind und uns nicht mehr so gut auf den Beinen halten können, dann solltet ihr uns erlösen lassen. Auch wenn wir schon in jüngeren Jahren uns eine schwere Verletzung zu legen, die uns große Leiden beschert und nicht mehr heilt, solltet ihr uns erlösen lassen.
Mücke würde sagen: „Ihr dürft uns auch am Ende unseres Lebens nicht im Stich lassen!“
So, dann fangen wir mal im Urschleim unserer Geschichte an. Wusstet ihr, dass unser bekanntester Vorfahre vor ca. 60 Millionen Jahren lebte? Das „Eohippus“ war noch kleiner als Keks und Joris, nur 25 – 45 cm groß. Über die vielen Millionen Jahre der Entwicklung wurden wir größer und entwickelten uns vom Wald – zum Steppentier.
Der Merksatz: „Das Pferd ist ein hoch spezialisiertes , herdenlebendes Lauf – und Fluchttier. In Einzelhaltung, getrennt von den Artgenossen sowie bei nicht ausreichender Bewegung, fühlt es sich nicht wohl.“
Unsere Bedürfnisse gehen auf unser Leben als ursprüngliches Wildtier zurück, auf die Grundverhaltensmuster des Fluchttieres, des Herdentieres und des Steppentieres. Was soll uns das sagen? Ich erkläre es euch.
Fluchttier bedeutet, dass wir unseren Fluchtinstinkt als Schutz vor plötzlich auftretender Gefahren anwenden. Wenn wir also vor etwas Angst haben, möchten wir als erstes wegrennen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir ganz viel Vertrauen zu euch aufbauen.
Das wir als Herdentier gelebt haben und immer noch leben wollen, sagt aus, dass wir unbedingt Kontakt zu unseren Artgenossen haben müssen. Deshalb ist es hier auch so schön bei den Mädels, da wir hier in Herden den ganzen Tag zusammen stehen können. Wir können zusammen fressen und uns ganz viel kraulen oder spielen.
Und dann sind wir noch ursprünglich Steppentiere. Das bedeutet, dass wir ein enormes Bewegungsbedürfnis haben und uns viele Stunden am Tag in Ruhe fortbewegen wollen. Wir brauchen also unbedingt ne Menge Zeit am Tag auf einem Auslauf oder auf der Weide. Und zusätzlich müssen wir auch noch von euch bewegt bzw. geritten werden. Deshalb ist es den Mädels ja so wichtig uns auch zu bewegen, während dieser langen Coronapause. Ebenso ergibt sich auch daraus, dass wir über mehrere Stunden am Tag unser Raufutter aufnehmen sollten. Berücksichtigen muss man dabei aber schon, zu welcher Rasse wir gehören und wie viel wir so in der Woche geritten werden. Wasser brauchen wir natürlich reichlich dazu, am liebsten ganz frisches. Und da wir vor so langer Zeit immer draußen gelebt haben, dürfen wir nicht soviel in einer Box stehen.
Ein ganz wichtiger Punkt um uns besser zu verstehen, sind unsere Verhaltensmuster lesen zu können. Dazu gehören unser Gesichtsausdruck, unsere Lautäußerungen, unsere Körperhaltungen oder wie wir uns Fortbewegen. Ich nenne euch mal ein paar Beispiele:
Gesichtsausdruck: Dösen, Gähnen, Flehmen, Schmerzgesicht usw.
Lautäußerung: Wiehern, Stöhnen, Blasen, Schnauben, Quieken
Körperhaltung: wir können völlig entspannt sein, aber auch verdammt angespannt
Fortbewegung als Ausdruck: Imponiergehabe, Steigen, Beißen, Schlagen usw.
So, ich glaube, das war es erst mal für heute. Ist auch schon ne Menge Wissen. Beim nächsten erzähle ich euch etwas zum großen Thema der Reitlehre.
Bis bald, Eure Elli